Camp Education: Little Darlings (Ron Maxwell, USA 1980)


Darum geht’s: Angel (Kristy McNichol) und Ferris (Tatum O’Neal) teilen sich eine Hütte im Ferienlager. Zunächst können die beiden, deren Familien aus ganz unterschiedlichen sozialen Milieus kommen, nicht recht etwas miteinander anfangen. Doch dann werden sie von der etwas frühreifen Cinder (Krista Errickson) zu einer Wette darüber angestachelt, wer zuerst seine Jungfräulichkeit verliert. Bald spalten sich die Mädchen im Ferienlager in ein Team Angel und ein Team Ferris. Doch dann entwickelt Angel echte Gefühle für einen Jungen (Matt Dillon) aus einem Nachbarcamp.


Achtung: Mittelschwere Spoiler!


A: Ich wusste nicht genau, was mich erwartet. Es gibt ja sehr unterschiedliche Sommer-Camp-Filme: Sexkomödien, Familienfilme, Slasher…

J: Auf jeden Fall fand ich es spannend, dass dieses Camp den Mädchen zwar eine idealisierte Umgebung anbietet, um sich selbst kennenzulernen und erwachsen zu werden, aber gleichzeitig die Welt drumherum nicht ausgeblendet wird. Der Film beginnt ja auch nicht im Bus zum Camp, sondern in der Wohnsiedlung.

A: Genau, Angel wird in ihrer Wohnsiedlung eingeführt. Und wenn man nur dieses Opening sieht, wirkt das erstmal wie ein Teenspolitation-Film aus dieser Zeit. Man merkt schon, dass er von dieser Panik beeinflusst ist, dass Jugendliche einer potentiellen Verwahrlosung ausgesetzt sind. Das war in den 1970ern ein großes Thema, nach dem Backlash der Gegenkulturbewegung. Da gibt es auch viele After-School-Specials, wie Reefer Madness, wo Jugendliche dann völlig vom Weg abkommen und durchdrehen. Die Filme der 70er waren oft stark von dieser Haltung gefärbt: “OH, wir müssen uns um unsere Kinder sorgen!”.

J: Die Jugendlichen werden hier nicht so übersexualisiert und abgebrüht dargestellt wie in manch gegenwärtigen Serien wie Sex Education (Nunn, USA 2019-23), es wird aber auch nicht als schlimm betrachtet, dass sie im Camp ihre ersten sexuellen Erfahrungen machen. Der Film scheint hier relativ offen zu sein – die beiden Protagonistinnen treffen unterschiedliche Entscheidungen, ohne dass das vom Film groß bewertet wird.

A: Überhaupt wird hier diese Erfahrung des ersten Mals schon als etwas Einschneidendes, Aufwühlendes und Emotionales, aber nicht als etwas moralisch Aufgeladenes präsentiert. Es wird dargestellt als ein sehr ambivalenter Moment, der mit ganz verschiedenen, auch miteinander konkurrierenden Gefühlen verbunden ist. Wie Angel und Randy sich finden und wie sich diese Beziehung dann entfaltet, das ist auch sehr kompliziert.

J:
: Ja, wie eine typische Sommerliebe, aber beide sind halt total unerfahren und das ist ja auch realistisch in diesem Alter.

A:
Das ist von ihrer Seite her eine Wette, und trotzdem ist das ganze auch von diesem romantischen Framework mit vielen Erwartungen aufgeladen. Dabei ist die Idee, eine Beziehung einzugehen, fast schon so wichtig wie die Beziehung selbst. Aber wie die beiden dann zusammenkommen, das ist dann sehr roh und ungefiltert, gerade für so einen Film, der ja ansonsten durch das Setting die realen Gefahren von außen schon ein bisschen ausblendet.

J:
Ja, diese Wette wird scheinbar sehr abgebrüht eingegangen, aber Angel merkt dann doch relativ schnell, dass sich in einem intimen Kontakt echte Gefühle halt einfach entwickeln.

A:
Und der junge Mann, den sie sich auserkoren hat, ist ihr halt auch von Anfang an irgendwie schon sympathisch.

J: Das ist halt eine Beziehung, wo man von Anfang an weiß, dass sie keine große Zukunft hat, aber für diesen Sommer bedeutet sie trotzdem viel.

A: Es wäre letztlich leicht gewesen, dass ganze einfach als eine komplett negative Erfahrung darzustellen und den jungen Mann als jemanden zu zeichnen, der nur säuft und Frauen aufreißt, und sonst an nichts Interesse hat.

J: Über seine Interessen und Gefühle erfährt man ohnehin nicht viel. Er erzählt zwar ein paar Dinge über sich – z.B. wie viele Liebschaften er schon hatte –, aber man kann nicht raushören, ob das wahr ist oder ob er das nur erzählt, um sie zu beeindrucken. Er wirkt jedenfalls nicht wahnsinnig erfahren, sondern eher so als würde er einfach versuchen Dinge nachzuahmen, die er irgendwo gehört oder gelesen hat. Interessant ist jedenfalls, dass der Film so konsequent durch die Mädchen fokalisiert ist. Fast alle Charaktere in dem Film, die keine Love-Interest sind, sind Frauen oder Mädchen, oder?

A: Es kommen wirklich kaum Männer vor, außer als Romantik- und Lustobjekte.

J: Genau – der weibliche, begehrende Blick fällt auf sie.

A: Einmal beobachten sie auch dann die Jungs mit dem Fernglas. Wir sehen dabei aber nicht, was die Mädchen sehen, sondern wie sie auf das Gesehene reagieren. Was ich daran auch spannend finde, ist, dass man in so einem Film, der ja schon nach traditionellen Hollywood-Spielfilmkonventionen funktioniert, diesem üblichen Male Gaze etwas entgegensetzt, ohne dass hier alternative Strategien auf der ästhetischen Ebene genutzt werden, durch die man ein ganz anderes Sehen etabliert. Die Männer geraten hier dennoch anders in den Blick als man es in Hollywood-Filmen gewöhnt ist. Angels Love-Interest wird sehr erotisch dargestellt, aber auf eine andere Weise, nicht äquivalent dazu, wie Frauen oftmals in Filmen gezeigt werden, die durch pubertierende Jungen fokalisiert sind, wie beispielsweise in Eskimo Limon (Davidson, ISR 1978). Das ist ja immer ganz extrem: Sie machen sich ganz ohne Rücksicht auf Verluste auf die Pirsch und schauen unverhohlen auf die Mädchen und Frauen. Das ist hier schon sehr anders.

J: Das zeigt vielleicht auch,  dass es gar nicht so schwierig ist, den Male Gaze loszuwerden. Umso erstaunlicher, dass es so wenige Filme machen.

A: Little Darlings ist ja ein Film von einem Mann, aber er wurde von zwei Frauen geschrieben, was vielleicht erklärt, warum er diesen Ton hat, dieses Setting und diesen Fokus. Aber inszeniert hat ihn eben ein Mann. Also das ist auch wieder so ein bisschen die Frage, wem man jetzt überhaupt diesen sensibilisierten Blick zuschreiben möchte. 

J: Auf jeden Fall ist dieser Blick sehr besonders, auch bezogen auf die Nebencharaktere. Männer sind präsent, aber ihre Rollen sind oft ganz andere. Es gibt zum Beispiel die Figur des Vaters von Ferris. Aber das Familiendrama spielt sich eigentlich total auf der Mutter-Tochter-Ebene ab. Die abwesende Mutter ist viel wichtiger als der Vater. Beide Töchter setzen sich intensiv mit ihren Müttern auseinander, die ja auch für die erste Welle des Feminismus stehen, und beide haben ein ambivalentes Verhältnis zu ihnen. Einerseits sind die Mütter Vorbilder, andererseits leidet aber auch gerade Ferris unter ihrer sehr autonomen Mutter, da deren Autonomie oft auf ihre Kosten geht. Sie wird letztlich allein gelassen, damit ihre Mutter ihre Boutique eröffnen kann.

A: Ja, und Angel und ihre Mutter – da scheint die Mutter einfach zu sorglos. Ich weiß nicht, ob das auch so ein bisschen die 68er-Bewegung einfängt. Es wird zumindest nahegelegt, dass sie sich emotional wenig bindet an ihre Partnerschaften. Auf jeden Fall scheint auch eine Art Bestandaufnahme mit drin zu sein.

J: Und verknüpft mit der Frage, was die Erben der 68er-Generation daraus machen, die natürlich auch diese Freiheit für sich wollen, aber auch deren negativen Seiten unmittelbar zu spüren bekommen.

A: Aber eben auch auf beiden Seiten dieses Klassen-Divides, zumindest was weiße Menschen angeht.

J: Andere kommen ja auch nicht vor.

A: Aber zumindest hat man so eine Blue Collar-Familie und eine schon relativ wohlsituierte.

J: Interessant ist, dass die Kinder aus den reichen Familien ganz normal an dem Ferienlager teilnehmen, genauso wie alle anderen ein Bett in einer Gemeinschaftshütte haben. Das würde man heute bei Leuten aus dieser Klasse gar nicht mehr erwarten, sondern würde denken, dass die in irgendein exklusives Feriencamp fahren, das die Kinder gleich auch auf das Elite-College vorbereiten. Oder so etwas Ähnliches.

A: Genau, bloß nicht von den Normalos kontaminiert werden.

J: Das hat hier mehr von der Utopie, dass sich Menschen aus unterschiedlichen Milieus treffen und Freundschaften schließen, und man eben nicht in seiner Blase bleibt.

A: Das Sommercamp als Gleichmacher. Eigentlich sollte auch die Schule bereits so sein, dass Kinder aus ganz verschiedenen Milieus zusammenkommen und die Welt kennenlernen.

J: Diversität gibt es somit hinsichtlich sozialer Milieus. Der Mangel an Diversität in anderer Hinsicht scheint den Film hingegen gar nicht bewusst zu sein.

A: Dafür besteht er den Bechtel-Test ohne Weiteres. Die Mädchen reden nicht so viel über Jungs oder Männer. Zumindest nicht über ihre Persönlichkeit.

J: Stimmt, also sie reden halt schon viel über ihre Jungfäulichkeit und was diese ihnen bedeutet. Es geht aber eher um die eigene sexuelle Entfaltung, weniger um Männer an sich. Männer sind – bevor Angel ihre Liebesbeziehung anfängt – völlig abstrakt. Sie beschließen, Sex zu haben, bevor sie überhaupt entschieden haben, mit wem eigentlich.

A: Es geht schon so ein bisschen um diese Fragen: Was heißt es eigentlich, eine Frau zu sein? Und was heißt es, erwachsen zu werden?

J: Interessant ist ja auch, dass diese Teenager noch als Teilnehmerinnen, also quasi als Kinder in diesem Camp sind. Ich dachte erst, die fahren als Betreuerinnen mit. Die sind in einem richtigen Übergangsalter: die Ältesten von den Gästen, kaum jünger als die Betreuer. In vielen anderen Filmen, die solche Sommerlieben thematisieren, geht es ja fast nur um die Betreuer und die Kinder sind eher Komparsen.

A: Es gibt auch Filme, die das durchmischen, wie Meatballs (Reitman, USA 1979). Und da hast du einmal die sexuellen und romantischen Eskapaden der Erwachsenen und dann das Leben der Kinder. Aber das geht nicht miteinander zusammen. Die Kinder sind völlig in ihrer Welt, und haben so Probleme wie: „Ich bin dick und kann nicht so schnell laufen, deswegen bin ich der Außenseiter.“ Also Sachen, die überhaupt nichts mit der Welt der Erwachsenen zu tun haben. Und dann haben die Erwachsenen ihre Abenteuer. Das richtet sich vielleicht so ein bisschen an verschiedene Demographien aus. Aber ein Coming-of-Age-Film, der so ernste Themen behandelt und sich dabei auch selbst ernst nimmt, ist echt total selten.

J: Little Darlings interessiert sich dabei wirklich vor allem für den Übergang zwischen dem Kind und dem Erwachsenen. Du hast diese schon klischeehaften Kinderszenen, die aber auch von den Fünfzehnjährigen ausgehen – wie die Essensschlacht und die Bootsfahrt. Das ist typischer Kindercamp-Spaß. Und gleichzeitig ist da der drängende Wunsch, schon in die Welt der Erwachsenen einzugehen.

A:  Richtig, und das ist wirklich total spannend, wie beides in dem Film einfach widerspruchsfrei stattfinden kann. Die Beziehungen, die sich anbahnen, wirken irgendwie ungeschützt. Man hat keine Absicherung, worauf das hinausläuft. Wenn Ferris mit dem älteren Coach anbandelt, dann weiß man ja auch nicht, wie er darauf reagiert und wie weit das geht. Heute wäre das vermutlich nur noch schwer vorstellbar, dass in einem familientauglichen Film ein Protagonist Sympathieträger bleibt, der mit einer Fünfzehnjährigen in dieser Campsituation flirtet. Aber das fand ich trotzdem irgendwie erfrischend, weil das natürlich in der Logik des Films auch heißt, dass er sie in dem, was sie tut, ernst nimmt.

J: Aber er hat ja auch eine klare Grenze gesetzt.

A: Aus heutiger Sicht wäre halt allein dieses Flirten zwanzig Meilen zu weit, wäre schon ein Grund, dass er seinen Job verliert. Heute würde man erwarten, die Grenze viel früher zu ziehen und klar zu machen, dass man hier nur der Betreuer ist und sich auf dieser Ebene überhaupt nicht ansprechbar macht. Aber in dieser Situation, wo sich jemand wirklich verliebt, fühlt man sich dann vermutlich überhaupt nicht ernst genommen und als Kind behandelt, wenn das in dieser Form abgeblockt wird.

J: Das bleibt ja auf einem Level, wo er das Ganze immer noch rechtzeitig stoppen kann, ohne sie mit dem Gefühl nach Hause zu schicken: Du bist nur ein naives Kind. Er findet einen Weg, Grenzen aufzuzeigen und den Unterschied klarzumachen zwischen jemanden, der fünfzehn ist und jemanden, der schon Anfang zwanzig ist, aber der Ferris zugleich in dem Wunsch ernst nimmt, erwachsener zu sein.

A: Und dadurch, dass das alles durch Ferris und die anderen Mädchen im Camp fokalisiert ist, ist es auch etwas sehr anderes als in gewissen Erzählungen, wo Männer platonische Freundschaften mit vierzehn- oder fünfzehnjährigen Mädchen anfangen, die auch romantisch konnotiert sind, aber eher als so eine Art Wunschtraum, als ein Zurücksehnen in die eigene Jugend oder ein Sehnen danach, wieder von vorne anzufangen. Allein dadurch, dass der Fokus hier umgedreht ist, bekommt das einen ganz anderen Dreh.

J: Der Titel Little Darlings lässt ja noch offen, ob die Mädchen eher als handelnde Subjekte in den Blick kommen oder als Objekte der Sehnsüchte anderer. Was der Film für einen Fokus hat, wird erst im Laufe der Handlung klar und sorgt dann für eine positive Überraschung.

A: Wohigegen der deutsche Titel Kleine Biester eher so einen muffigen Shift vollzieht, indem er das Verhalten der Mädchen als ungebührlich betrachtet und gleichzeitig eine Sexualisierung von außen vornimmt, die im Film gar nicht vorhanden ist.

J: Stimmt, der deutsche Titel passt einfach überhaupt nicht zur Handlung. Es wird ja seitens der Mädchen nichts – oder zumindest nicht viel – unternommen, um die Erwachsenenwelt zu provozieren. Und auch untereinander erfüllen die Mädchen nicht dieses misogyne Klischee der Biestigkeit, außer vielleicht die Cinder, die sehr frühreif ist und mit ihren Jobs als Model angibt.

A: Aber sie ist auch wirklich der einzige Charakter, der so manipulativ dargestellt wird. Zugleich wird aber auch deutlich, dass sie wahrscheinlich ganz viel damit kompensiert. Vielleicht weil sie als Model und Kinderstar auch selber ausgenutzt wird.

J: Sie passt halt gar nicht mehr in diese Welt des Feriencamps, weil sie wirklich irgendwie schon zu der Erwachsenenwelt gehört, also da schon viel zu früh reingezogen und ihren Altersgenossen entfremdet wurde. Sie ist ja mit fünfzehn Jahren schon verlobt.

A: Vielleicht ist da auch ein bisschen Neid mit im Spiel auf jene, die eine richtige Kindheit haben.

J: Genau, sie hatte halt nie eine wirkliche Übergangsphase.

A: Und daher konnte sie diese Fluidität nicht erleben, die die anderen auszeichnet.  Dieses mit einem Bein in dieser und mit dem anderen Bein in jener Welt zu stehen, wird selten so richtig repräsentiert. In anderen Teenie-Filmen machen die Teenager oft schon eher erwachsene Sachen.

J: Sie treten dann ja auch oft als Gegenpart zu den Kindern, als Betreuer oder Babysitter, auf.

A: Und gesellschaftlich ist so ein Unbehagen damit verbunden, dass man in diesem Alter jemanden nicht mehr zwangsläufig als Kind bezeichnen kann, aber auch nicht unbedingt als erwachsene Person. Was dann auch mit dem Age of Consent in Beziehung steht. Auf diese Lebensphase werden ganz viele Ängste projiziert und die Idee des Kontrollverlustes, da man da so eine Marge hat, so eine Fluidität zwischen diesen beiden Welten. Wie ja auch oft sogar von 18 oder 19 Jährigen noch wie von Kindern gesprochen wird. Sogar wenn man vor dem Gesetz eigentlich Erwachsen ist, werden junge Leute oft weiter auf die Kinderrolle bezogen.

J: Das Leben kann ja auch komplett verschieden sein in diesem Alter. Manche gehen mit 16 Jahren schon arbeiten und leben wirklich schon im Prinzip wie Erwachsene, verdienen ihr eigenes Geld, haben manchmal sogar eine eigene Wohnung, wenn die Ausbildungs-oder Arbeitsstelle weit weg vom Elternhaus ist. Andere gehen noch bis 20 zur Schule und leben gut behütet Zuhause. Und auch so erfolgt die Reifung ja bei jedem ein bisschen unterschiedlich.

A: Genau, und die Grenze ist daher eigentlich aus gutem Grund fließend. Und in Little Darlings ist dieses Fließen irgendwie wahnsinnig gut dargestellt, also dass die alle ungefähr in einem Alter sein sollen, aber dabei sind die super unterschiedlich in der Art, wie die sich geben oder was sie wollen.

J: Ja, und die sexuelle Entwicklung ist halt auch nur einer von vielen Aspekten.

A: Lebenskrisen spielen auch eine wichtige Rolle. Ferris ist ja auch in dieser Situation, ohne ihre Mutter auskommen zu müssen.

J: Genau, Ferris und Angel sind durch ihre Familiensituation beide schon stark mit dem Erwachsenenleben konfrontiert.

A: Bei Angel ist es der ökonomische Zwang, bei Ferris eher ein gesellschaftlicher Zwang, der sie früh in die Probleme der Erwachsene mit reinzieht. Bei ihr sind wahrscheinlich so Sachen wie das Image der Familie voll wichtig.

J: Und bei dem Model und Kinderstar geschieht das Reingestoßen-Werden in die Erwachsenenwelt am stärksten und brutalsten. Da ist es fast schon ein bisschen gemein, dass ihr bis zum Schluss keine Empathie zur Teil wird.

A: Sie ist halt schon der Bully des Films, von daher verdient sie es irgendwie, am Ende von den anderen weggestoßen zu werden. Dennoch merkt man ja, dass sie in keiner tollen Situation ist und von diesem freien Simulationsraum in diesem Camp gar keinen Gebrauch machen kann. Im Grunde ist das Camp ja auch einfach ein Ort, wo man sich selbst mal ganz anders wahrnehmen kann und anders wahrgenommen werden kann, ganz Anderes zurückgespiegelt bekommt. Aber sie gibt von Anfang an vor, wie sie gesehen werden muss und versucht, das den Anderen quasi aufzuzwingen. Sie ist schon total geprägt von dieser Vorstrukturierung, die aus dem erwachsenen Leben kommt.

J: Das hat sicher mit ihrem Beruf als Model zu tun. Da hat sich schon ein Habitus eingeprägt, den sie nicht mehr einfach so ablegen kann. Ansonsten sind die Beziehungen zwischen den Mädchen aber sehr offen – es ist nicht vornherein klar, welche Konfliktlinien sich bilden und die Gruppendynamik ändert sich auch im Laufe der Handlung.

A: Schön ist dabei auch, dass alle Beziehungen und Charaktere einfach so in medias res eingeführt werden, aber so, dass man irgendwie sofort ein Gefühl dafür bekommt, wie das funktioniert, aber dass zugleich nicht alles ausbuchstabiert, doppelt erklärt und sichergestellt wird, dass auch wirklich ganz klar ist, in welcher Beziehung die Leute zueinander stehen.

J: Das fand ich auch sehr angenehm.

A: Wenn man wieder Sex Education als Gegenbeispiel nimmt: Wie da die Beziehungen und all die Bedeutungen, die die Beziehungen haben, sowohl zwischen Kindern und Eltern als auch zwischen den Jugendlichen untereinander – das ist nach einer Staffel schon total ermüdend.

J: Stimmt, und obwohl alles so langatmig auserzählt und erklärt wird, wirkte Sex Education für mich als Coming-of-Age Film komplett unrealistisch.

A: Ich finde es eigentlich auch schön, dass in einem Film wie Little Darlings die Teenies auch einfach ein bisschen flach sein dürfen. Sie denken, sie haben irgendetwas Cooles gefunden und das tragern sie vor und denken, sie kommen damit gut an, und dann ist es vielleicht gar nicht so. Dann entstehen auch mal spontane Dinge. Da ist nicht so eine geschliffene Perfektion im Umgang miteinander. Und die Probleme, die sie haben, sind auch nicht so.

J: 
In Little Darlings leben die Jugendlichen noch ein bisschen in imaginativen Welten, gerade auch was ihre sexuellen Erfahrungen angeht. Oft merkt man schon nach zwei Wörtern, das da nichts Echtes dahintersteht, sondern dass das noch eine Traumwelt ist. In Sex Education hingegen sind Jugendliche erfahrener als die durchschnittlichen Erwachsenen. Erst dachte ich da auch: Okay, das sind halt so Fantasien, die wollen ein bisschen angeben. Aber im Laufe der Serie merkt man, dass alle diese Erfahrungen, über die sie sich unterhalten, real sind. Diese Bruchstelle zwischen Fantasie und Realität, die in diesem Alter so wichtig ist, fehlt in Sex Education fast völlig oder wird nur als ein Problem gesehen, das man am besten auflöst, in dem man jede Fantasie so schnell wie möglich auslebt. Dabei verliert die Fantasie jeden Eigenwert. Obwohl doch gerade Menschen, die dem Kindesalter noch nahe sind, diesen Eigenwert erinnern müssten.

A:
Und ein größeres Ungehagen, das bei der Serie sonst sicher vorherrschen würde, vermeiden sie dadurch, dass die Jugendlichen komplett wie Erwachsene angelegt werden. Sie werden auch ausschließlich von Erwachsenen gespielt. Und auch in die Beziehungen wird von Anfang an eine richtige Schwere reingelegt. Little Darlings ist da viel realistischer, weil viele Beziehungen dort kaum Beziehungen sind. Man nähert sich an, erlebt etwas miteinander und lässt wieder los oder es zerfasert einfach.

J:
Viele von diesen modernen oder post-modernen Serien wie Sex Education geben sich halt sehr provokant und progressiv, aber orientieren sich trotzdem stark an diesen Hollywood-Romanzen, wo Gefühle immer groß und schwer sind. Little Darlings hingegen ist irgendwo auch eine Liebeserklärung an die kleinen Begegnungen und Beziehungen, die relativ schwerelos verlaufen, und dennoch bereichernd oder prägend sein können.

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