Ekstase der Welten: The Super Mario Bros. Movie (Horvath/Jelenic/Leduc, USA/J 2023)


Darum geht’s: Die Brüder Mario und Luigi haben gerade ihr neues Klempner-Unternehmen eröffnet. Als sie eine Überschwemmung in New York stoppen wollen, werden sie durch ein Rohr gezogen und landen in anderen Welten: Luigi wird in Browsers Dunkelland von den Shy Guys entführt, Mario von einem Toad begrüßt. Doch Unheil naht auch hier, denn Bowsers Piratenschiff ist bereits unterwegs. Wird Mario es schaffen, gemeinsam mit Prinzessin Peach und den Kongs das Pilzkönigreich zu retten und seinen Bruder zu befreien?


Achtung: Schwere Spoiler!


A: Ich bin noch ein wenig berauscht.

J: Mir hat es aber auch gut gefallen, obwohl ich das nicht gedacht hätte. Anfangs meinte ich, das läuft auf so ein plattes „Gut gegen Böse“ hinaus. Hier die Prinzessin mit ihrem lichten Schloss und dort der Bowser mit seinem Dunkelland. Aber als dann die Kongs dazu kamen – die haben für mich das Spielerische stark reingebracht. Und irgendwie hat man dann auch gemerkt, dass sich Mario und Donkey Kong darin gar nicht so sehr unterscheiden: Beide sind super verspielt. Alle folgen eigentlich einer Spiellogik, und nicht so einem High-Fantasy-Muster.

A: Die Handlung und die Charaktere sind einfach nur Komponenten für etwas, das man vielleicht auch ‘Action’ im ursprünglichen Sinne nennen kann. In einem Videospiel – ganz besonders in einem Jump’n’Run – geht es ja auch oft um die reine Kinetik, vor allem dann, wenn man im Fluss ist. Also wenn man Super Mario Bros. (Miyamoto, J 1985) spielt und irgendwann richtig gut wird. Dann fließt alles irgendwie zueinander, da gehen Programmierung und die Inputs des Spielers ein performatives Verhältnis ein. Und das beziehen die meisten Videospielverfilmungen überhaupt nicht mit ein. Da geht es immer nur darum, die Handlung oder Handlungen des Spiels in einen Filmplot zu packen, und nicht darum, wie sich das Spielerlebnis kinetisieren lässt. Und das hat dieser Film echt toll gemacht.

J: Ja, es gibt auch kaum Exposition oder unnötige Nebenschauplätze.

A: Die Origin-Story wird schnell abgehandelt, damit man endlich zum ersten Level kommt. Das ist dann eine Art Probelevel, das Peach zu Hause simuliert. Das ist schon total super und hat eine unerwartete Haptik. Man erkennt sofort die Differenz zu den echten Gegnern im Spiel, also z.B den Kugelwillis und den Piranhas. Die sind im Testlauf allesamt liebevoll gebastelte Automaten und noch keine organischen Wesen. Sie sehen alle so aus, als wären sie aus Holz oder Papmaché gemacht und dann handbemalt. Dieses Faible für etwas Handgemachtes würde man anhand der Mario-Spiele vielleicht erstmal gar nicht vermuten. Aber auch später behält alles in diesem Film – die Pilze, die Kästen, auf denen sie rumspringen – eine sehr stoffliche Textur. Das wirkt fast schon wie Stop Motion, die Knochentrocken-Koopas haben mich auch total an die animierten Harryhausen-Skelette erinnert.

J: Ohnehin scheinen alle diese Wesen eine unheimliche Liebe zum Schaffen und zum „Weltenbauen“ zu haben. Da passt dann gut hinein, dass Mario und Luigi Handwerker sind. Der Film beginnt ja schon damit, dass die beiden davon träumen, ihren Job beim Abschleppdienst aufzugeben und Klempner zu werden. Ihr erster Job geht richtig schief, aber dann kommen sie in diese andere Welt, die eigentlich schon eine Welt von Handwerkern ist, also von Leuten, die es lieben, zu bauen. Und diese Liebe teilen alle miteinander. Nicht nur Peach, die Toads und die Kongs, sondern auch Bowser und die Koopas. Die haben ja dieses ganz komplexe, aber auch spielerische „Dunkelland“ gebaut.

A: Genau, die Figuren gehen auch alle in der überwältigenden Existenz dieser Orte völlig auf. Die leben quasi alle in der permanenten Ekstase ihrer Welt. Auch Peach, die irgendwie als Baby da gelandet ist und adoptiert wurde. Das wird überhaupt nicht großartig psychologisiert. Man denkt nicht: “Wie ist sie da aufgewachsen? Was waren die Probleme, die sie vielleicht hatte?” Nein, es geht nur um Pilzmenschen und diese großartigen Welt. Und sie wird dann natürlich sofort zur Prinzessin gemacht.

J: Keiner der Charakter legt Wert darauf, viel in Worten auszudrücken. Alles wird durch diese Welten selbst ausgedrückt. Und der Film endet auch nicht mit irgendeiner plumpen Belehrung, wie das ja oft in Kinderfilmen ist.

A: Fast alles geht in Bewegung und Aktion auf. Der Film braucht da nichts anderes mehr. Das fand ich auch sehr schön. Und wenn man dann am Ende angelangt ist, dann ist es auch wirklich zu Ende. Da ist der Film sich selbst genug in dem was er tut. Alles andere, was er macht, ist immer nur dieses absolute Minimum, was man braucht, um ihn noch als modernen Unterhaltungsfilm verkaufen zu können, und vielleicht um ein paar der größten irrationalen Sachen zu kitten, damit man von Punkt A über B nach C springen kann. Meistens macht der Film diese Überbrückungen ja rein visuell: Mario und Luigi laufen durch Brooklyn schon wie durch ein Level. Und nachher, wenn sie bei den Kongs im Dschungel ankommen, da müssen sie sich nicht wie bei King Kong (Cooper/Schoedsack, USA 1933) erst durch den Dschungel quälen, sondern sie werden sofort mit einem Kart abgeholt und halsbrecherisch zum Ziel gefahren.

J: Das war eine tolle Szene. Das Ganze konzentriert sich total darauf, alles was man an den Videospielen „kunstvoll“ nennen kann auf die filmische Ebene zu übertragen. Aber wir müssen auch noch über meinen Lieblingscharakter reden, den Stern Luma. Der ist ja in einem der Käfige in Browsers Dunkelland, wo auch Luigi und die Pinguinkönige und später die Kongs landen. Bei Luma ist faszinierend, dass Denken und Stimmung total auseinanderfallen. Heute wird ja meist vermittelt: Wenn man nur etwas Positives denkt, dann ist man auch in einer positiven Stimmung und dann passieren positive Dinge. Luma hingegen ist die ganze Zeit über in einer extrem positiven Stimmung, selbst noch, als er fast in Lava getaucht wird. Er macht Seifenblasen in seinem Käfig. Aber was er sagt und denkt, ist immer total negativ und pessimistisch. So verabschiedet er die Zuschauer auch. Er erzählt etwas von der großen Leere und beginnt, Saxophon zu spielen.

A: Ja, super! Als sie in die Lava getaucht werden, freut er sich total. Dann werden sie gerettet und hochgezogen, und er sagt „Buh!”. Aber am Ende schwebt er mit dem Saxophon in die Leere des Weltalls, die ja auch seine Heimat ist. Er ist so ein bisschen die anarchische Seele des Films und entkoppelt nochmal alles von der Realität.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert